»Sonnt sich die Katz im Februar, muss sie im März zum Ofen gar.« Mit solchen Weisheiten, die von Generation zu Generation weitererzählt wurden, haben sich unsere Vorfahren subjektiv empfundene und auf Erfahrung basierende Wetterzusammenhänge gegenseitig mitgeteilt. Allgegenwärtigen Zugriff auf die Meteorologie (Lehre der chemischen und physikalischen Vorgänge in der Atmosphäre) und dessen Abfallprodukt, dem Wetterbericht, hatte man noch nicht. Das war manchmal unpraktisch, z. B. für die Landwirtschaft. Oder wenn eine Reise kurz bevor stand und man die passende Kleidung auswählen musste. So musste man sich halt auf Gespür und Glück verlassen. Heute reicht ein Blick ins Internet und man erfährt das Wetter der kommenden Tage. Und wenn man es nicht wissen will, dann erfährt man es trotzdem. Zeit für eine Betrachtung dieses heiter bis wolkigen Kuriosums.
Als Kind hatte ich mit dem Wetterbericht nichts am Hut. Ich erinnere mich aber daran, dass in der Tagesschau um ca. 20:13 Uhr immer folgender Satz kam: »Aus Frankfurt nun die Wettervorhersage für …«. Die folgende Karte mit den Pfeilen und Zahlen fand ich seltsam, auch die immer gleiche piepende Geräuschsequenz am Ende. Welche Bedeutung sie auch immer gehabt haben mag. Inhaltlich haben mich weder Nachrichten noch Wetterprognosen interessiert. Und das war auch nicht nötig, da man als Kind mit solchen Daten eh nichts anfangen konnte.
Das Wetter habe ich wahrgenommen, wie es gerade war. Was kümmerte es mich, wie es übermorgen wird? Oder werden könnte. Das Fluchen der Erwachsenen, wenn das Wetter mal nicht wie prognostiziert einherkam, habe ich allerdings noch gut im Kopf. Ich spielte jeden Tag draußen, bei Wind und Wetter, Regen, Sonne, Kälte oder Schnee. Und durch den Segen der Kindheit, überwiegend im Jetzt zu leben, erkannte ich auch unmittelbar die Vorzüge jeden Wetters – es gab kein „schlechtes“ Wetter. Das gab es nur in der Erwachsenenwelt, wo dieser Draht zum inneren Heiligtum zwangsläufig immer mehr verloren geht. Das wusste ich damals natürlich noch nicht.
Und wie man als Kind möglichst schnell erwachsen werden will, fällt einen später dann auf, dass man dafür einen recht hohen Preis zahlen sollte. Wenn Leichtigkeit und Unvoreingenommenheit der frühen Tage, passt man nicht auf, ungewollt durch festgefahrene Muster ersetzt werden. Das Wetter ist ein gutes Beispiel, wo der natürliche Lauf der Dinge entwürdigt wurde und sich ein allgemeines Zerrbild etablierte, dass es so etwas wie gutes oder schlechtes Wetter gibt. Und die besorgte Mutti den Sprössling in die Wohnung zerrt, weil ein paar Regentropfen vom Himmel fallen.
Da sich das Phänomen Wetterbericht in den letzten Jahren immer mehr ausgebreitet hatte, und mir ehrlich gesagt ziemlich auf den Sack ging, versuchte ich mal für eine Weile auf Wetterprognosen komplett zu verzichten. Das Wetter einfach wieder wie früher unmittelbar zu erfahren, ohne Prognose, und dass man schon Tage vorher weiß, wie es wird. Also nicht mehr in die Wetter-App glotzen und die Tagesschau konsequent um 20:13 Uhr umschalten. Ich kam mir vor wie ein Vegetarier in den Fünfzigern – ein verwirrter Exot, der sich gegen etwas völlig Etabliertes und Normales auflehnen musste. Und die Wetterbericht-Askese gestaltete sich viel schwieriger als erwartet.
Wettertanten! – sie sind überall
Die erste nicht bedachte Variable, die mir einen Strich durch die Rechnung machte, waren die Mitmenschen. Klar, übers Wetter lässt sich immer gut tratschen, wenn einen sonst nichts anderes einfällt. Wo immer man ist und mit wem man auch spricht, das Wetter wird schnell zum Thema. Und wenn man nicht aufpasst, wird einen in der Sauna von der Sitznachbarin mal eben das Wetter mitgeteilt: »Soll ja am Wochenende kalt werden!« … Danke, ist ja auch ziemlich heiß gerade.
Der Wetterbericht findet längst nicht mehr nur in den klassischen Medien statt. Früher waren es TV-Nachrichten, Tageszeitung und Radio. Und der Wetterbericht im Radio hatte, wenn mich meine Erinnerung nicht täuscht, nur einen kleinen Anteil am Programm. Heute scheint das anders zu sein. Wo immer ein Radio dudelt, es wird gefühlt jede Viertelstunde „das Wetter“ kommentiert. Eine Radiotante informiert über aktuelle Temperatur, Bewölkung und Prognose und gibt dann einen sinnfreien Kommentar ab: »Oh, wie schrecklich, Regen! Denken Sie an den Schirm.« oder »Hach, wie schön, warm und sonnig! Da haben wir im Dezember aber Glück.«. Diesen Radiomist habe ich mir schon vor über zwanzig Jahren abgewöhnt. Und wenn ich beim Zahnarzt sitze und der Radiowetterbericht das Entfernen des Zahnsteins untermalt, dann weiß ich auch warum.
Der neueste Hype ist digitale Außenwerbung. Ein einschlägig bekanntes Unternehmen ist seit Jahren dafür bekannt, den öffentlichen Raum mit digitalen Großbildschirmen zu verunstalten, auf denen 24 Stunden am Tag Werbeclips gezeigt werden. Meist strategisch vor Einkaufszentren platziert, für Autofahrer und Passanten, die reflexartig auf diese Fliegenfalle blicken und so ein paar Sonderangebote mehr im Einkaufswagen platzieren. Damit der Kommerz nicht sofort als solches erkannt wird, kam man auf die glorreiche Idee, einfach den Wetterbericht zwischenzuschalten und so vorzugaukeln, der Kasten hätte einen tatsächlichen Nutzen. Dumm nur für Leute wie mich, die einmal gegen Werbung immun sind und auch die Wetterprognose nicht wirklich wissen wollen.
Fazit – das war’s dann wohl mit Sommer!
Wetterprognosen eignen sich nun einmal hervorragend als Lückenfüller, um andere Daten aufzublähen. Wenn man generell nicht viel zu sagen hat, dann passt immer noch das Wetter mit rein. Im Radio wird das besonders deutlich. Aber auch bei Webseiten, wo schnell noch ein Wetter-Widget mit reingequetscht wurde. Wetterdaten lassen sich schnell abgreifen, sind vergleichsweise günstig und es gibt im Vergleich zu früher ein breites Angebot.
Ebenso wurde der Wetterbericht von der Industrie zum Kaschieren von Werbung entdeckt. Ob digitale Außen- oder Innenwerbung – wenn man Werbung mit anderen Informationen vermischt, wird diese weniger als störend wahrgenommen. So die Theorie. Und leider hat noch niemand einen Gegenbeweis erbracht. Immerhin hatte unser hochgeschätzter holländischer Entertainer Rudi Carell – Gott hab ihn selig – den Wetterdurchblick und bereits 1975 die wahre Ursache für den Klimawandel entdeckt.
Der Winter war der Reinfall des Jahrhunderts,
nur über tausend Meter gab es Schnee.
Mein Milchmann sagt: Dies Klima hier, wen wundert’s?
Denn schuld daran ist nur die SPD – he he he.
Rudi Carell (1975)
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